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Gleitschirm Blog

17.10.2015 Miziara

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Schon seit langer Zeit wollten wir eine liebe Freundin in Beirut besuchen, vor ein paar Wochen haben wir uns dann spontan entschieden, diesen Plan endlich mal in die Tat umzusetzen. Die politische Lage im Libanon ist zwar gerade nicht die beste, aber Hala hat uns versichert dass die Situation vor Ort sicher ist. So sitzen wir also am Freitagmorgen im Flieger über Frankfurt nach Beirut und tauschen unsere 3° Schneeregen gegen 28° und Sonnenschein. Dies ist meine erste Reise in den Libanon und schon auf dem Weg vom Flughafen sauge ich die fremden Eindrücke in mich auf. An erster Stelle steht da der chaotische Verkehr, jeder fährt wie er will, Regeln scheint es irgendwie keine zu geben und wer bremst verliert. Ein paar Mal muss ich laut lachen weil ich es einfach nicht glauben kann wie ein Auto auf einer vierspurigen Straße mitten im Verkehr einfach anhält um zu wenden. Einfach unglaublich!

Hala wohnt im christlichen Stadtviertel und wir genießen ihre hervorragende libanesische Küche und den Blick aus dem 7. Stock auf Beirut. Bei reichlich Arak beobachten wir die Sonne wie sie über dem Hafen von Beirut untergeht.

Am nächsten Morgen rufen wir Ziad Basil an, ein libanesischer Pilot den ich über das Internet kennengelernt habe. Ziad ist in der Gleitschirmwelt sehr bekannt, weil er seit vielen Jahren fast alle Schirme die neu auf dem Markt erscheinen kauft und testet um anschließend darüber in seinem Blog „Dust of the universe“ zu berichten. In seinen Videos habe ich ihn schon so oft über die Küstenregion nördlich von Beirut fliegen sehen, dass ich das unbedingt auch versuchen möchte.

Der Weg ins Fluggebiet führt uns zunächst über die Küstenstraße in Richtung Tripolis. Eigentlich liegt Tripolis außerhalb der von Hala als „sicher“ definierten Zone, aber nach mehreren Telefonaten entscheidet sie dass es aktuell ok ist. Wir quälen uns durch die verstopfte Autobahn an deren Standspur Gemüse verkauft wird, Fußgänger spazieren und uns bisweilen auch schonmal Mopeds entgegen kommen. Je näher wir nach Tripolis kommen, desto mehr „Checkpoints“ müssen wir passieren, alle besetzt mit schwer bewaffneten Militärs deren Magazinholster komplett bestückt sind. Ein Navigationsgerät haben wir nicht und so fragt sich Hala durch um den richtigen Weg zu finden. Dazu muss man wissen dass es als unhöflich erachtet wird die richtige Auskunft nicht zu kennen und so weist uns fast jeder den wir fragen einen komplett anderen Weg. Immer tiefer tauchen wir in Tripolis ein und jetzt sehen wir auch zerschossene Häuser und Schießstände deren Sandsacksicherungen vor nicht allzu langer Zeit offensichtlich gute Dienste geleistet haben. Überall liegt tonnenweise Müll herum, eines der ungelösten Probleme im Libanon. Zwischen dem Müll stehen Milchkühe die an Essensresten kauen. Wir sind alle froh als wir Tripolis schließlich wieder verlassen, allerdings nicht ohne vorher noch an einer „Pattisserie“ zu halten wo uns Hala mit einer typisch libanesischen Süßigkeit versorgt, ungefähr 89Millionen Kalorien in Form von geschmolzenen Käse mit Semmelbrösel überbacken, mit Zuckersirup übergossen und heiß serviert. Puh.. liegt ganz schön schwer im Magen!

Noch viele Male müssen wir nach dem Weg fragen bevor wir endlich über einem Berggipfel zwei Gleitschirme soaren sehen. Ziad kommt uns mit seinem Wagen entgegen um uns die letzten Meter zum Fluggebiet zu geleiten und zeigt mir wo sie gerade den Startplatz von Felsen und Stechginster befreit und neu angelegt haben.

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Gerade haben sie Gras auf dem steinigen Boden ausgesät, daher kann man nur vor dem eigentlichen Startplatz den Schirm auslegen, aber das wird schon alles gut gehen. Sehr viel mehr interessiert mich die Frage nach dem Landeplatz. Die Optionen sind vielfältig, aber nicht alle sehr attraktiv. Die meisten einheimischen Piloten landen top, was für mich mehr oder weniger ausscheidet, dafür ist der Startplatz einfach zu klein, zu steil und zu steinig. Die nächste Alternative wäre am Fuße des Berges auf der Straße zu landen, natürlich fährt da ab und an schon mal ein Auto, aber in der Regel geht alles gut aus.. klingt auch nicht gerade einladend. Ich entscheide mich für die sicherste Alternative, ein mit kleinen Büschen spärlich bewachsenes Feld das aus 800 Höhenmetern Entfernung ganz gut ausschaut.

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Ich mache mich startklar, Ziad ist so nett meinen Schirm auszulegen, ich hänge mich ein, ziehe den Schirm auf und schon bin ich in der Luft! Die Bedingungen sind perfekt und ich soare im warmen Wind über dem Startplatz, gemeinsam mit zwei anderen Fliegern drehe ich ein wenig auf und beobachte die anderen wie sie toplanden, die können das offensichtlich sehr gut! Ich begnüge mich damit immer wieder die Bergkante entlang zu fliegen bis der Wind nachlässt und ich an Höhe verliere. Ich entscheide mich frühzeitig vom Berg wegzufliegen um meinen Landeplatz genauer unter Augenschein zu nehmen.

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Was von oben noch ziemlich gut ausgeschaut hat, entpuppt sich nun als Olivenhain mit kleinen, mittleren und großen Bäumen. Jetzt gut zielen um nicht in einem Baum hängen zu bleiben. Im Endanflug habe ich mehr Sinken als gedacht, kurve um den einen Baum herum und lande noch grade rechtzeitig vor dem nächsten. Nur mein linkes Flügelende legt sich nach der Landung über eine kleine Olive und ich verbringe rund 15 Minuten damit die Leinen aus den Zweigen zu sortieren. Beim Zusammenlegen des Schirms muss ich gefühlte hundert trockene Disteln entwirren deren Stachel so hart und trocken sind dass ich befürchte sie könnten mein Tuch durchstechen wenn ich sie nicht alle erwische. Endlich habe ich alles eingepackt und mache mich auf den Weg zurück zur Straße, vorbei an einer riesigen Villa deren Garten ich unbefugterweise betreten muss. Da ich nicht mehr als drei Worte Arabisch beherrsche, nehme ich mir fest vor „Hallo, ich komme aus Deutschland und ich musste leider hier landen“ zu rufen, zum Glück begegne ich aber niemanden. Nach ein paar Minuten komme ich wieder auf die Hauptstraße, wo meine Liebste und Hala schon auf mich warten.

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